Du funktionierst, aber du lebst nicht.
- Anna
- 19. Juni
- 5 Min. Lesezeit
Ein persönlicher Weg zurück zur Wurzel – und der Anfang meiner Arbeit.
Ich habe so viele Werkzeuge ausprobiert. Ich habe Schattenarbeit gemacht, innere-Kind-Meditationen angehört, meine Glaubenssätze aufgelöst und umprogrammiert. Ich habe mich energetisch geschützt, Räucherwerk verbrannt, mich in Ritualen verloren, Listen geschrieben, in Vollmondnächten transformiert. Ich wusste, wie man loslässt. Wie man manifestiert. Wie man „heilt“.
Wir alle haben das getan. Und trotzdem kommen so viele Menschen – mich eingeschlossen – an denselben Punkt zurück. Immer wieder. An dieselben Muster, dieselben Blockaden, dieselbe Leere, dieselbe Müdigkeit.Obwohl wir doch so viel aufgelöst haben. Obwohl wir so viel verstanden haben. Und obwohl wir längst „spirituell wach“ sind.
Ich bin durch tiefe Prozesse gegangen – in mir, mit Klientinnen, in der Arbeit. Ich habe jahrelang Räume gehalten und Menschen begleitet. Und trotzdem war da in mir etwas, das sich nie vollständig geöffnet hat. Etwas, das immer wieder zurückkam. Wie eine leise Schicht, die nicht heil werden will, weil sie nie verletzt, sondern nur verdrängt wurde.
Und dann fiel mein Großvater ins Koma.
Ich wusste sofort, dass ich ihn sehen muss. Ich habe nicht überlegt, nicht geplant. Ich bin einfach los. Allein. Ins Ausland und ohne die Sprache zu sprechen. Ich habe funktioniert, organisiert, koordiniert, aber ich habe in dieser Zeit nicht gefühlt. Ich war im Überlebensmodus. Und gleichzeitig begann unter der Oberfläche etwas aufzubrechen.
Während ich an seinem Bett saß, habe ich gespürt, dass nicht nur er stirbt. Es war, als würde eine ganze Geschichte mit ihm gehen und ich bin der Ort, durch den sie hindurch musste.
Er starb an einem Ort, der exakt auf einer meiner Astrokartographie-Linien liegt.
Ausgerechnet auf einer Linie, die meinem 4. Haus zugeordnet ist – dem astrologischen Bereich, der für Familie, Herkunft, Wurzeln, emotionale Sicherheit und innere Heimat steht. Damals habe ich das nicht bewusst verstanden. Aber mein Körper wusste es. Und es sollte nicht der letzte Ruf bleiben.
In meiner Trauerphase habe ich sehr stark gespürt, wie präsent meine Ahnen waren. Nicht symbolisch. Sondern ganz real. Ich spürte, dass sie bei mir waren – in meinem Körper, in meinen Träumen, in der Luft.
Eines Morgens bin ich aufgestanden und wusste, dass ich nach Polen fahren muss. Nicht, weil ich es geplant hatte, sondern weil mein System mich dorthin gezogen hat.
Ich habe wieder allein meine Tasche gepackt, bin losgefahren, ohne zu wissen, was ich dort genau suchen würde. Der erste Stopp war der heiligste Ort, den es in Polen gibt: Częstochowa und Die Schwarze Madonna. Und schon dort spürte ich die Präsenz von Maria. Nicht als Heilige im kirchlichen Sinne, sondern als Urmutter. Sie hat mich durch die ganze Reise begleitet – fast wie eine alte Stimme, die leise mit mir geht.
Doch der eigentliche Ruf führte mich weiter. An zwei Orte, die tief in meiner Blutlinie liegen. Zwei Dörfer in Polen, aus denen Teile meiner Familie stammen. Ich war als Teenager schon einmal mit meinen Großeltern dort, und ich erinnere mich noch genau an diesen Moment: Ich stand vor dem Haus meiner Familie. Daneben: eine kleine Marien-Kapelle. Beides zerfallen, halb zugewuchert. Und plötzlich musste ich weinen – heftig, ohne Grund, ohne Erklärung. Ich war jung, und es hat mich emotional völlig überrollt. Ich habe damals nicht verstanden, warum mein Körper so reagiert hat. Ich kannte die Geschichte noch nicht. Aber mein Körper hat sie gekannt.
Jahre später habe ich mein Birthchart betrachtet. Und dann war alles klar. Chiron im Krebs. Die Wunde der emotionalen Obdachlosigkeit. Ein astrologischer Hinweis auf kollektive Ahnenthemen wie Vertreibung, Enteignung, Verlust von Heimat, Krieg, Kinder ohne Zuhause, Waisen, emotionale Unsicherheit. Genau das war der Kern. Nicht nur meine persönliche Geschichte – sondern meine epigenetische Prägung, deren Muster sich auch durch mein Leben gezogen haben.
Als ich diesmal zurückkehrte, war alles anders. Ich war nicht mehr die Jugendliche, die emotional überfordert war. Ich fuhr mit Demut, aber auch mit einer inneren Vorbereitung. Würde ich den Ort wiederfinden? Würde ich wieder körperlich so reagieren? Ich wusste von meiner Familie, dass das Haus nicht mehr stand.
Auf dem Weg ins Dorf hielt ich am See. Ich habe das Wasser schon immer geliebt, aber dort wurde mir bewusst, wie sehr meine Liebe zum Wasser auch epigenetisch verankert ist. Wasser steht für Heimat, für Urvertrauen, für Gefühle. Ich fühlte plötzlich starke Trauer, bekam Visionen von schreienden Frauen, die durch die Wälder rannten – voller Panik. Wie sich später herausstellte, waren es Frauen aus meiner Linie. Diese Geschichte hat sich nicht in meinem Verstand abgespielt, sondern im Gewebe meines Körpers.
Als ich dachte, ich würde den Ort nicht mehr finden, tauchte plötzlich die Kapelle wieder auf. Sie war renoviert. Genau an der gleichen Stelle wie damals. Aber das Haus war verschwunden. Auf dem Grundstück standen Bagger. Und ein Schild: „Zum Verkauf“.
Ich habe selten in meinem Leben so geweint. Nicht, weil ich traurig war. Sondern weil ich zum ersten Mal körperlich gefühlt habe, was epigenetischer Schmerz wirklich bedeutet. Diese Schicht sitzt nicht im Kopf. Nicht in der Emotion. Sondern in den Knochen.
Intuitiv begann ich, mit Theta Healing zu arbeiten. Ich stand dort, weinte, spürte und begann, im Stillen zu lösen. Vor allem den Schmerz der Vertreibung. Den Schmerz meiner Vorfahren, die alles verloren hatten. Das kollektive Trauma, das niemand angesprochen, aber alle getragen haben.
Am Tag darauf fuhr ich weiter nach Gietrzwałd. Ein kleines Dorf, aus dem der andere Teil meiner Familie stammt. Auch dort: eine Geschichte von Verlust. Kinder, die ihre Eltern verloren hatten. Verwandte, die ihnen das Zuhause nahmen. Der stille Wunsch, zurückzukehren - ein Wunsch, der sich nie erfüllte.
Aber Gietrzwałd ist auch ein heiliger Ort. Ein Ort, an dem mehrfach Marienerscheinungen gemeldet wurden. Dort wurde eine Quelle errichtet, deren Wasser heilende Wirkung nachgesagt wird. Als ich ankam, fühlte ich zum ersten Mal auf dieser Reise Frieden.
Ich stand an der Quelle, trank das Wasser –und verstand. Warum mein zweiter Name Maria ist. Warum Wasser mich beruhigt. Warum ich als Kind lieber am Wasser saß als mit anderen Kindern zu spielen. Später schaute ich noch einmal in mein Chart: Jupiter im Krebs. Wachstum, Schutz, Sinn – in einem Wasserzeichen. Im Zeichen der Urmutter. Jupiter beschreibt auch Orte, an denen man gesegnet ist. Und Gietrzwałd liegt, fast exakt, auf meiner Mondknotenlinie – meinem Seelenweg.
Ich habe in diesen Tagen nicht einfach etwas verstanden – ich habe mich erinnert. Und diese Erinnerung hat meine Arbeit verändert. Oder besser: Sie hat mir gezeigt, warum ich tue, was ich tue.
Meine Arbeit ist kein Coaching. Sie ist kein Konzept. Sie ist ein Raum, den ich halte,weil ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn nichts mehr hilft. Wenn keine Methode greift. Wenn es nicht darum geht, besser zu werden, sondern endlich wahr zu werden.
Ich begleite Menschen, die an der Schwelle stehen. Die fühlen, dass es tiefer geht. Die wissen, dass sie nicht „blockiert“, sondern verbunden sind. Mit ihrer Geschichte. Ihrer Linie. Ihrer Herkunft.
Und wenn du bis hier gelesen hast, dann spürst du vielleicht, dass dieser Text nicht nur mein Weg war. Sondern auch deiner sein könnte.

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